Abstraktion begegnet Figuration No. 2

Dorothee Schraube-Löffler und Johannes Braig
Graf Zeppelin Haus, Friedrichshafen

... Der Titel der Ausstellung kündigt eine Begegnung von Abstraktion und Figuration an. Mir gefällt dieses Substantiv Begegnung, denn Begegnungen sind nicht geplant, sondern sie passieren. Begegnungen ereignen sich spontan, sie sind nicht verbindlich wie eine Verabredung und nicht so abrupt wie ein Aufeinanderstoßen. Eine Begegnung kann flüchtig, aber genauso nachhaltig sein. Wenn sich Kunstwerke zweier Menschen begegnen, so werden immaterielle Brücken gebaut, denn Begegnungen beflügeln und setzen neue Kräfte frei! ...

Braigs Bilder und Objekte leben von Farbe, ihre Bestimmung ist die subjektive Ausdrucksfarbe, mit dem Ziel, mittels Farbe möglichst große Autonomie für das Bild zu erzielen. Braigs Kunst entwickelte sich lange Jahre über die Farbe als Kompositionsprinzip, bis er eines Tages die Figur wieder entdeckte. Die Bilder des großen Francis Bacon waren mit ein Auslöser, dass Johannes Braig vor einigen Jahren den Mut fasste, Farbe und Figur miteinander zu verbinden. In seinem Archiv der „weiblichen Figur“ schlummerten zahllose Körper und schienen nur darauf gewartet zu haben, in imaginären Räumen ein malerisches Zuhause zu finden. Die Imagination dieser Räume erreichte Johannes Braig durch die konsequente Entscheidung für eine Hintergrundfarbe. ...

In seinen hier ausgestellten neuen Arbeiten blicken wir auf Köpfe, maskenhafte Fratzen, Grotesken, wir sehen stiere Blicke, glotzend gaffende Wesen, großformatig und durchaus irritierend. „Wenn ich vernünftig wäre, würde ich nur noch kleine Formate malen“, sagte er im Gespräch. Aber nein, er will nicht vernünftig sein, sondern fuhr nach Madrid in den Prado, stand vor opulenten Barock-Porträts und beschloss, auf diese malerischen Vorbilder in seiner ihm eigenen Bildsprache im selben Format zu reagieren. Diesen Adaptionen an barocke Bildnisse hat sich noch eine weitere Leidenschaft dazugesellt, nämlich Comics wie Southpark, American Dad, Zombies in Manhattan etc.. Johannes Braig erfindet in seinen Bildern Typen, deren Wesen sich uns Betrachtern nicht wirklich erschließen. Ist es Mensch, ist es Tier, ist es Symbol, oder sehen wir einfach nur „Opfer kaputter Dialoge“, so Johannes Braig. Denn sein Vorwurf an uns Zeitgenossen lautet, nicht mehr richtig sehen zu können, weswegen er seine Malerei auch als eine Art friedliche, aber durchaus subversive Waffe sieht, um gegen die Verrohung, Verdummung und Ästhetisierung dieser Welt proaktiv vorzugehen. ...

Auszug aus der Rede zur Ausstellungseröffnung von Andrea Dreher