Bild ~ Form ~ Bild
Dorothee Schraube-Löffler/Johannes Braig











... Johannes Braig und Dorothee Schraube-Löffler stehen stellvertretend für zwei akademische Künstlerleben, in welchen die Kunst um der Kunst willen gemacht wird und in welchen keine Markt konforme Kunst produziert wird, sondern wo konzentriert, stetig und autonom gearbeitet wird. So hart der Kunstmarkt und der Künstlerstatus sind, sind sich doch beide einig, dass das Kunststudium gut und unverzichtbar war, „weil man intensiv geschult wird“, so Johannes Braig, der als Meisterschüler bei Leiko Ikemura an der Hochschule der Künste in Berlin seinen Abschluss machte.

„Baumeister hat uns immer vorgemacht, dass das Handwerkliche wichtig ist und das Formale.“, fügte Dorothee Schraube-Löffler hinzu, und ja, sie meint DEN Baumeister, bei dem sie Anfang der 1950er Jahre Malerei studiert hat. Im Baienfurter Wohnzimmer der Künstlerin hängt noch ein Webteppich aus der Akademiezeit, der die Kraft jener Jahre der aufbrechenden Moderne atmet. Eine Webarbeit sehen Sie auch in dieser Ausstellung, eine weitere Webarbeit aus dem Jahr 1987 hat sich der Biberacher Ausstellungsmacher Dr. Uwe Degreif bewusst in die die Ausstellung „Ins Licht gerückt – Künstlerinnen, Oberschwaben 20. Jahrhundert“ geholt, welche am vergangenen Freitagabend im Museum Biberach eröffnet wurde! Dorothee Schraube-Löffler war während ihres Studiums unmittelbar in die Stuttgarter Kunstszene der Nachkriegszeit involviert. Sie entdeckte die Moderne, und wie andere Junge hatte auch sie den Mut, nach vorne zu blicken und die -Ismen und den Muff der Vergangenheit  in die Schubladen zu verbannen. Diesem Webteppich lag im Übrigen ein gemaltes Bild zugrunde, das im Kurs von Willi Baumeister entstanden war. Der Professor erkannte sehr früh die Begabung Dorothee Löfflers im Umgang mit Stoffen und Material.

... Wenn nun Gold auf Schwarz trifft, wie in dieser Ausstellung im Dialog mit den Bildern von Johannes Braig, so verliert es etwas an seiner sakralen Würde und kitzelt Erinnerungen an die Sinnlichkeit von Wiener Jugendstil an. Vermutlich geht es nicht nur mir so, dass ich bei einzelnen Bildern von Johannes Braig an Gustav Klimt denken muss, dem Künstler, der Figur und Form grandios ineinander verschmelzen ließ. „Figur muss gedacht werden“, sagte Johannes Braig jüngst im Gespräch. Seither beschäftigt mich dieser Gedanke, denn genau das ist es wohl, was seine Kunst ausmacht, dass diese auf Reflexionen und intensiven Gedankenskizzen aufbaut, ergänzt durch ein profundes kunsthistorisches Wissen dieses Malers.

Johannes Braigs Markenzeichen ist u.a. der monochrome Raum, der keinen Kontext vorgibt, sondern dem Bildmotiv komplett und unangefochten die Bühne überlässt. In der neuen schwarzen Serie „reclining“, die seit 2018 zu wachsen beginnt, sehen wir Abstraktion mit malerischem Duktus, aufgelöste Strenge zugunsten freier Form. Eine fiktive Dreidimensionalität wird vom Maler gar nicht gesucht, sondern bei Braig bleibt die Scheibe eine Scheibe und will gar keine Kugel sein. Mit lasierend aufgetragenem Acryl und Acryl-Lack schafft der Künstler eine bezaubernde Transparenz und Semitransparenz in seinen neuen Bildern. Das bedeutet für die Wirkung dieser Kunstwerke, dass diese sehr flüchtig, durchaus poetisch und manchmal auch verspielt daherkommen. Braig mag die Prozesshaftigkeit, er lässt immer auch den Zufall einfließen, denn das sture Verharren in einem Status Quo ist ihm ein Graus.

Auch Dorothee Schraube-Löffler definiert sich ausschließlich über das kreative Tun. Auch sie lehnt ein „so ist das und so bleibt das“ rigoros ab, entwickelt ihr Werk ständig weiter und dreht unaufhörlich an ihren formalen und handwerklichen Stellschrauben. Sie lässt dem Zufall zwar insofern eine Chance, dass er ihr stets neues Material zuspielt, welches sie in ihre Kunstwerke einfließen lässt, aber in der Umsetzung und Finalisierung eines Werks ist die Künstlerin sehr präzise und kompromisslos mit sich und ihrem Tun.

Im Dialog Braig-Schraube-Löffler ist es die Braigsche Leichtigkeit und sein Faible für den oberschwäbischen Barock, der die protestantische Strenge in den Arbeiten von Schraube-Löffler aufbricht. Und dies ist auch gut so, insbesondere, wenn er in seiner „reclining“-Serie Körper andeutet und figurative Andeutungen ins Bild einbaut, die vereinzelt durchaus an vergessene Akte oder erotische Posen erinnern. So nimmt die Kunst Braigs die Erzählerperspektive in diesen Räumen ein, und lenkt unsere Aufmerksamkeit bewusst auch auf die Abstraktionen von Dorothee Schraube-Löffler. Wie vernünftig kann Sinnlichkeit sein und wie sinnlich die Vernunft? Gehen sich hier zwei Antipoden aus dem Weg oder bauen sie Brücken? Das können Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren selbst testen.

Gerne möchte ich Sie zum ästhetischen Selbstversuch einladen, indem Sie z.B. bei der Betrachtung dieser Ausstellung zunächst „eine Seite ihrs Blickfelds abdecken“, um nur eine künstlerische Position zu sehen, bevor sie sich dann im nächsten Schritt auf den Dialog einlassen. Sie werden überrascht sein, wie sich Ihre Wahrnehmung und Ihre Einstellung ändern werden. Genau darin liegt auch die Kraft dieser Doppel-Schau, dass hier nämlich keine bildliche Konkurrenz entsteht, sondern dass die Synergie eine Kraft entwickelt, die ich fast schon organisch nennen möchte. Bleiben wir noch kurz beim Selbstversuch. Stellen Sie sich diese Ausstellung wie einen Körper vor, einen lebendigen Organismus, der Geist und Verstand klug verbindet. Schnell spüren sie hier und heute, dass wir beides brauchen, die Vernunft und das Gefühl. ...

Rede zur Ausstellungseröffnung „Bild – Form – Bild“ von Andrea Dreher